Future Bloom

 

1. Anrede und Einleitung


2. Die Realutopie: Das multiperspektivische Meta Festival1


2.1 Ein Szenario!

2.2 Zwei gelungene Szenarien der letzten Jahre - Stimmen aus der Szene.

2.3 Wo stehen wir aktuell – kulturell, sozial und ökonomisch?

2.4 Politische und ökologische Perspektive?

2.5 Ökonomische Perspektive?

2.6 Warum queerfeministisch, antirassistisch, barrierefrei und antiklassistisch?

2.7 Warum interdisziplinär und heterarchisch?


3. Wie können Meta Community und Meta Festival in die Tat umgesetzt werden?


3.1 Welche bestehenden Projekte motivieren uns?

3.2 Warum 52 Communitys?

3.3 Wie entsteht die Meta Community?

3.4 Welche Eigenschaften hat die Meta Community?

3.5 Wie arbeitet die Meta Community?

3.6 Was sind die Ziele der Meta Community?


4. Die Umsetzung der Werte / Festivalformate


4.1 Warum ein Awareness-Team?

4.2 Warum 0-100.000 Euro Eintritt?

4.3 Warum gibt es Vorträge, Workshops und Flashmobs?


5. An welchem Ort könnte das Festival stattfinden?


6. Finanzierung, Förderlandschaft und Vergütung


6.1 Wie wird das Meta Festival finanziert?

6.2 Wie ist die aktuelle Förderlandschaft bundesweit aufgebaut?

6.3 Wie ist die Kulturförderung in einem Land wie Berlin zusammengestellt?

6.4 Welche interessanten und aktuellen Zahlen sowie Stimmen gibt es noch?

6.5 In welcher Relation stünde das Meta Festival mit institutionell geförderten Einrichtungen?

6.6 Was sind weitere, wichtige Aspekte der Kulturförderung?

6.7 Wie hoch sollen die Vergütungen für die jeweiligen Tätigkeiten bei den Festivals sein?


7. Potenzial und Ausblick


8. Dankeschön und Aufruf


9. Teilnahme und Kontakt






Liebe Musiker*innen der frischen, zukunftsgerichteten Musik,


wir sind die Meta Community und freuen uns über Euer Interesse und Eure Aufmerksamkeit! Wir sind eine Gruppe von Musiker*innen, Organisator*innen und Mitgliedern verschiedener Kollektive2, die an die Kraft des Zusammenhalts und der Gemeinschaft glauben, weil wir sie erlebt haben. Dies ist ein Aufruf zur Kreierung eines völlig neuartigen und neu gedachten Meta Festivals! Informiert Euch hier über unsere Vision!


Aktuell vergegenwärtigt uns die Covid-19-Krise die bereits bestehenden globalen Missstände auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens, und sie verschärft diese noch. Sie stellt das kulturelle Leben und Schaffen auf die Überlebensprobe. Die Politik setzt sich zu wenig für den Erhalt der vielseitigen Kulturlandschaft und die Abfederung der existenziellen Notlage der im Musikgeschäft Tätigen ein. Wir benötigen daher generelle strukturelle Veränderungen in der Finanzierung, der Verteilung von Ressourcen und der Organisationsstruktur unserer Kulturbranche – auch über die Pandemiezeiten hinaus. Wir wollen radikale3 und nachhaltige Veränderungen in unserer Musikbranche und darüber hinaus. Um der politischen Geringschätzung von Kultur mittel- und langfristig etwas Produktives entgegenzubringen, präsentieren wir hier ein konkretes, zukunftsorientiertes und emanzipatorisches Großprojekt:


Wir wollen ein Meta Festival ins Leben rufen, das es in dieser Form in Deutschland noch nicht gegeben hat. Ein Musikfestival mit interdisziplinärem Austausch, das in eine intersektionale, queerfeministische, antirassistische und gemeinwohlorientierte Vision eingebettet ist - die Vorstellung einer gerechten Post-Corona-Zeit, in der wir ohne Angst verschieden sein können. Auf dem Weg zu diesem Ziel möchte das Großprojekt-Festival neue Strukturen entwickeln und aufbauen, welche werteorientiert und partizipativ sind, sowie Gleichberechtigung für die beteiligten Musiker*innen, Organisator*innen und für die Musikbranche generell schaffen sollen. Das Meta Festival ließe uns füreinander spielen und da sein. Wir sehen das Festival nicht nur als Chance für uns Künstler*innen selbst an – wir sehen darin auch das Potenzial, weitreichende und tiefgreifende gesamtgesellschaftliche Verbesserungen zu bewirken!


Wir wollen all jene miteinander verbinden, die schon seit Jahren ähnliche Werte verfolgen und dafür viel Kraft aufwenden, sowie jene, die immer schon auf der Suche nach Austausch sind. Zusätzlich wollen wir Freund*innenkreise ermutigen, welche schon länger darüber nachdenken etwas Vergleichbares zu tun. Zu guter Letzt möchten wir Menschen einladen, die so eine Chance bisher nie bekamen, aber davon träumen ein tiefgreifendes Festival dieser Art umzusetzen. Lernt unsere Vision kennen und lasst uns vereinen!



2. Die Realutopie: Das multiperspektivische Meta Festival



2.1 Ein Szenario!


Ich gelange von der Fahrstuhltür im dritten Stock zur Eingangstür des Festivals. In der Eingangshalle sticht mir ein riesiges, funkelndes, an der Decke hängendes Unterwasserwesen ins Gesicht. Dann begrüßt mich ein sympathisches Ensemble aus Gastgeber*innen und Awareness-Team mit einem kleinen Willkommensdrink. Das Team erklärt mir in knappen und freundlichen Worten, dass auf dem Festival keinerlei Diskriminierung geduldet wird, um eine sichere Atmosphäre für alle Teilnehmenden zu schaffen. Ich könne mich jederzeit gerne melden, falls mir etwas Unangenehmes auffallen würde. Das gibt mir ein gewisses Vertrauen, dass hier zumindest nicht einfach weggesehen wird, wenn ich oder andere blöd angemacht, unangenehm behandelt oder beleidigt werden.


Da steht ein Schild: „Eintritt: 0-100.000 €“. Ich lasse mir erklären, dass ich selbst entscheiden darf, wie viel ich zahlen kann und möchte. Ich entscheide mich für 20 €, da mein Einkommen das, aber nicht mehr hergibt. Wer wohl mehr als das bezahlt? Und wer gar nichts? Die Person neben mir! Und sie bekommt drei Coupons für Gratis-Getränke. Im ersten Moment stutze ich, aber dann freue ich mich darüber, dass hier ein schöner Abend für alle möglich gemacht werden kann, unabhängig von monetären Möglichkeiten. Auf dem Weg zum Hauptraum sehe ich interaktive Installationen sowie antirassistische und queerfeministische Lektüren zum Mitnehmen. Dort angekommen, schaue ich mich um und sehe eine Art grüne Wiese aus Schnüren und Kronkorken von der Decke hängen: Upcycling! - Angestrahlt von bunten Lichteffekten und verschiedenen Visuals, die den Raum lebendig machen. Das trägt auch zu einer angenehmen Stimmung bei. Während mir ein Mensch mit blauen Locken mein Getränk reicht, sehe ich in der Festivalcrew, im Publikum und auch unter den Künstler*innen Schwarze, junge, trans*, weibliche, alte, migrantische, weiße Menschen, dicke, queere, mitteljunge, scheinbar wohlhabendere, Menschen, die eine Behinderung haben, scheinbar ärmere, nonbinäre, Menschen of Color, geschminkte sowie ungeschminkte Menschen, männliche, dünne Menschen, die angeregt quatschen, die Atmosphäre in sich aufsaugen, quirlig von A nach B eilen und Dinge organisieren, liegend chillen, trinken und lachen.


Es geht los: Witzige und politische Willkommensworte der Gastgeber*innen-Community sind zu hören, auch übersetzt in Gebärdensprache. Dann beginnt das erste Konzert. Ich bin gefesselt von der Magie und der Virtuosität dieser Musikerin. Die Kombination aus synthetischen und natürlichen Klängen habe ich so noch nie gehört. Ich kenne sie noch gar nicht und spüre wie die Frische ihrer Musik die Leute um mich herum mitreißt und beflügelt. Bei der anschließenden „Ayran-Show“ lernen ich und meine Lachmuskeln, wie das leckere Getränk mit Freude und passender Musik hergestellt wird. Natürlich auch als vegane Variante. In der Umbaupause tausche ich mich kurz mit anderen über die ausgelassene und gleichzeitig aufmerksame Atmosphäre auf dem Festival aus. Beim Händewaschen fällt mir mein Schlüssel aus der Tasche, eine Hand mit einem funkelnden Ring, der sehr edel ausschaut, hebt ihn mir auf. Ich vermute, dass manche wohl doch mehr Eintritt als ich bezahlen können. Dann sehe ich mehrere Plakate. Aha! Heute Nachmittag gab es auch noch verschiedene kostenlose Workshops für Benachteiligte. Und hier steht: „Wir sind keine rein kommerzielle, sondern eine nachhaltig angelegte, Demokratie fördernde Festival-Community. Wir arbeiten interdisziplinär, wir denken und handeln intersektional. Für unsere 52 bundesweit verknüpften Communitys ist jeder Tag einer wie dieser. Wir haben endless fun, mach' doch mit und check' unsere Website!“.


Auf dem Weg zurück verirre ich mich ins Backstage, der Crewkoch fragt mich auf Englisch, ob ich kurz einen Tisch mit umstellen könnte. Dabei bekomme ich mit, wie sich die verschiedenen Communitys über das Festivalgeschehen offensichtlich miteinander austauschen und zusammen feiern. Weiter geht es mit dem nächsten Highlight, einer fulminanten Show eines Postcontemporary JazzBeat Quartetts, das heute Abend mit einer queerfeministischen Freestyle-Rapperin kollaboriert. Sie spielen in der Mitte des Raumes und alle versammeln sich um sie herum. Abgefahren - nicht gerade gewöhnliche Musik - und gerade deshalb bekommen ich und einige andere Lust zu tanzen. Diese Energie versprüht sich im ganzen Raum. Kaum vorbei, bin ich mitten in einem aktivistischen Flashmob, bekomme einen orangenen Button angesteckt, einen Flyer in die Hand gedrückt und schreie mit mir unbekannten Menschen aus dem Fenster: „Leave no one behind“ aus voller Kehle.


Kurz wird es still, ein 20-köpfiger, transnationaler FLINTA* Chor singt ein ergreifendes Lied. Innehalten. Für fünf Minuten sind alle verbunden. Und nun? Fokus auf eine interdisziplinäre Kooperation aus einer Producerin von elektronischer Tanzmusik, vier Streicher*innen und vier Tänzer*innen. Hier werden musikalische Grenzen überwunden. Ich verspüre diese schiere Offenheit der Künstler*innen und das Verschmelzen der Kunstformen. Anschließend trinke ich mein letztes Getränk und frage mich mit meinen Freund*innen, ob wir so etwas schon mal erlebt haben. Wir sind uns einig: Allein ein einziges Konzert mit dieser einzigartigen Atmosphäre hätte uns schon eine unvergessliche Erinnerung beschert, aber all' diese Performances hier in geballter Kraft und ihrem wundersamen Zusammenwirken an diesem Ort: Wow!!!


Es ist Mittwoch Nacht, aber ich merke, dass das Festival hier wohl noch lange nicht vorbei sein wird. Leider muss ich los. Ein Glück geht das Festival ja noch die ganze Woche. Auf dem Nachhauseweg schaue ich erfüllt, glücklich und leicht überfordert nochmals auf den Flyer. Für mich ist eines klar: Ich wäre gern Teil dieser Community, und irgendwie war ich es auch schon heute.“



2.2 Zwei gelungene Szenarien der letzten Jahre - Stimmen aus der Szene.


Jim Black4 über das Kulturrabazzz Festival 2020 in Dresden5: „A fantastic evening of sound, light, music, conversation, real connection. They are making a new type of contemporary folk music by the living one, one what addresses what‘s happening now… It‘s a beacon of inspiration. They not only dream of what‘s possible, they actually turn these ideas and inspirations into tangible realities, that we can all take part in, … a completely immersive experience. I wish something like that would happen every week in my community.“


Nadin Deventer6 über das Kulturrabazzz Festival 2018 in Dresden7: „Als ich den Kulturrabazzz in Dresden besucht habe, bin ich eingetaucht in ein liebevoll gestaltetes, funkelndes Universum voller Kreativität, Gastfreundschaft, spannender Musik und Begegnungen; ein Ort geprägt von Neugier, Offenheit und Austausch, wo der Community-Geist allgegenwärtig spürbar war.“



2.3 Wo stehen wir aktuell – kulturell, sozial und ökonomisch?


Ein Hauptproblem struktureller Art innerhalb der Nicht-Mainstream-Musikszene in Deutschland sehen wir darin, dass es für viel zu viele großartige Künstler*innen viel zu wenige Auftrittsmöglichkeiten gibt. Gäbe es von staatlicher Seite eine höhere Priorisierung des Wertes der Musikkultur und eine gerechtere Verteilung der bereitgestellten Etats, könnte die Kultur in Deutschland in ihrer Breite blühen, ohne stetig (insbesondere in Zeiten einer Epidemie) um ihre Existenz bangen zu müssen.


Die Auswirkungen des kapitalistischen Wirtschaftssystems auf unsere Gesellschaft und deren musikalische Bildungsinstitutionen sind schwerwiegend. Zum einen fehlen sehr vielen Menschen die Zugangsmöglichkeiten und zum anderen erzeugen die Ausbildungsstrukturen oft zu viel Konkurrenz und Verschlossenheit. Wer Musik einfach teilen möchte und Freude an gegenseitiger Unterstützung hat, kommt schnell zu kurz. Dabei wirken doch gerade Musik und Kultur als Vehikel des gegenseitigen Austausches. Hierbei sind weder Aussagen über die Berufseignung noch die Profession einer Person getroffen. Es ist für das soziale und kulturelle Miteinander problematisch, wenn die Ungleichheiten und strukturellen Probleme Neid und Missgunst an Stelle von Arbeitsmotivation, Wohlwollen und Freude hervorrufen. Wir brauchen somit dringend bessere strukturelle Bedingungen und eine multiperspektivische Vision für größere Auftrittschancen.



2.4 Politische und ökologische Perspektive?


Wenn wir unsere Demokratie schützen und sie zu einer immer stärker partizipierenden8 weiterentwickeln wollen, müssen auch wir Künstler*innen und alle im Musikgeschäft Tätigen der Realität ins Auge schauen: Die Prognosen sprechen von 100 Millionen bis zu 2 Milliarden möglichen Klimaflüchtlingen in diesem Jahrhundert.9 Zudem nennen führende Wissenschaftler*innen bereits sichtbare und spürbare negative Folgen der Digitalisierung, wie etwa durch Algorithmen unterstützte Fake News und Hassverbreitung in den sozialen Medien, sowie „Singularisierung, Profilierungszwang, extreme Affektkultur, Erosion der allgemeinen Öffentlichkeit“.10 Einige schätzen diese Folgen als möglicherweise noch bedrohlicher für die Demokratie bzw. die Gesellschaft in Deutschland ein, als die Auswirkungen der menschengemachten globalen Klimaerwärmung.11


Die globale Klimakrise und die Bedrohungen einer unkontrollierten Digitalisierung werfen für Kunst und Kultur generell die Frage nach der Selbstdefinition und Funktion auf. Wie wollen wir uns positionieren angesichts der, bereits heute, dramatischen Situation? Wir schließen uns der Geisteshaltung und dem Handlungsdrang von Initiativen wie The Ocean Clean Up12, Seebrücke13, Hyper Cultural Passengers14und der Gemeinwohl-Ökonomie15 an und wollen unsere eigene Rolle als europäische Artists hier in Deutschland neu definieren.


Folgende Methoden und Formate wollen wir nutzen, um möglichst viele Menschen zur Teilnahme an unserem Festival zu bewegen und lokal möglichst tief in Gesellschaftsschichten hineinzuwirken, um im Ergebnis eine resilientere Gesamtgesellschaft zu formen. Multiperspektivität und Interdisziplinarität potenzieren verschiedene Sichtweisen zu einem neuen synergetischen Zusammenhalt aller Teilnehmenden. Der dadurch entstehende Austausch, das Wahrnehmen anderer Sichtweisen, sowie Diskussionen sind wichtige Bausteine einer Demokratie, die wir stärken wollen. Für alle Menschen zugängliche Workshops dienen der Aufklärung und Weiterbildung. Eine funktionierende Inklusion wollen wir unter anderem durch ein barrierefreies Festival, ein diverses Line-Up, Awareness-Teams für einen diskriminierungsfreien Umgang und frei wählbare Ticketpreise gewährleisten. Dadurch kann unser Festival Menschen aller Identitäten und aller sozialen und kulturellen Hintergründe ansprechen und verbinden. Für die Organisation sind die Communitys zuständig. Wir glauben, dass ein diverseres Line-Up automatischer zusammengestellt wird, wenn die Communitys selbst bereits aus diverseren Menschen bestehen. Wir folgen daher der Vision, dass unsere Communitys längerfristig aus diversen Menschen gebildet werden. Bis dahin müssen die Communitys einen Plan entwickeln, wie sie für ein diverses Line-Up sorgen können. Dieses sehen wir als einen Grundbaustein, um die angestrebte Diversität auch im Publikum zu generieren. Durch alle Festivalformate, die Austausch und Dialog, sowie gemeinsames Handeln und Lernen ermöglichen, schaffen wir Inklusion und Partizipation aller Beteiligten, vor allem auch des Publikums. Diese Inklusion sehen wir als Grundlage für das Teilen von gegenseitigem Respekt, Empathie, Wohlwollen, Gemeinschaftsgefühl, Zugehörigkeit, Interesse und Spaß. Und ebendiese Faktoren haben sich als die wichtigen Pfeiler einer gesunden und glücklichen demokratischen Gesellschaft erwiesen.


Es ist durch Studien belegt, dass Individuen durch ihr Konsumverhalten allein die Klimakrise nicht annähernd bewältigen können.16 Viel wichtiger ist es, Druck auf die Regierungen auszuüben, um die nötigen, massiven Transformationen zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft und einer sozial gerechteren Gesellschaft durchzuführen.17 Auch die Veranstaltungsbranche sollte sich so klimagerecht wie möglich verhalten: Wir Veranstaltenden können beispielsweise upcyclen, wenig bis kein Plastik verwenden, unsere Artists bitten, mit dem Zug zu reisen und generell mehr regionale Künstler*innen einladen. Darüber hinaus können wir unsere Community- und Festivalplattform auch nutzen, um uns mit bestehenden Klimaschutz-Netzwerken wie Fridays for Future, Extinction Rebellion oder Wir haben es satt! zu verbünden, gemeinsame Projekte anbieten und letztendlich durch eine gemeinsame Stimme den Druck auf die Politik erhöhen.



2.5 Ökonomische Perspektive?


Es gibt die verschiedensten Ansätze, wie eine ökonomisch gerechtere Gesellschaft aussehen könnte. Wir vertreten die Meinung, dass der Staat in der Pflicht ist, Kultur und Bildung in viel höherem Ausmaße als bisher zu bewahren und zu fördern.18 Die Kultur hat viele Wirkungskräfte, gerade außerhalb des Kommerziellen – sie schafft wesentliche Wertvorstellungen und Synergien.19 Diesen wird in der deutschen BIP-fixierten Wirtschaft kein Wert zugeschrieben – ein wesentlicher Grund für die gravierenden Einkommens- und Vermögensdefizite der meisten selbstständigen Künstler*innen in diesem Land. Eine Entwicklung, die maßgeblich dadurch vorangetrieben wird, dass in den Wirtschaftswissensschaften (nach wie vor!) zu über 90% die Neoklassik unterrichtet wird, obwohl wir nach ca. 40 Jahren des Privatisierens und des Abbaus des Sozialstaats sehen, dass daraus überhaupt keine chancengerechte Gesellschaft entsteht.20 Anders verhielte es sich beispielsweise in der Gemeinwohl-Ökonomie.


Wir wünschen uns eine höhere Wertschätzung der durch Kultur geschaffenen gesellschaftlichen Werte, Räume und Güter. Auch wird der Kultursektor derzeit immer wieder als „Anhängsel“ der anderen Sektoren mit einer nur niedrigen eigenen Wirtschaftskraft dargestellt. Dies entspricht jedoch nicht der Wahrheit: Der Umsatz der Kultur- und Kreativwirtschaft 2019 betrug 174,1 Mrd. € von insgesamt 3.449 Mrd. €, also ca. 5 Prozent des gesamten deutschen Bruttoinlandsproduktes. Das machte sie 2019 zum sechstgrößten Wirtschaftszweig mit etwa 1,8 Millionen Beschäftigten.21


Das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zeigt in einer 2020 veröffentlichten Studie, dass die reichsten 10% der Deutschen ca. 67% der 7,78 Billionen € des nationalen Nettovermögens besitzen, die oberen fünf Prozent ca. 55%, die obersten 1% ca. 35% und die vermögendsten 0,1% (ca. 80.000 Menschen) immer noch ca. 20%.22 Auch Thomas Piketty zeigte auf, wie eklatant globale – aber auch nationale – Einkommens- und Vermögensunterschiede sind.23 Somit plädiert er für Neuregelungen von Besitz und ein progressives Steuersystem, das allen Bürger*innen ab dem 25. Lebensjahr ein einmaliges staatliches Startkapital von 120.000 Euro finanzieren könnte. Abgesehen von Alternativmodellen der Vermögensumverteilung wie diesem, scheint es aber auch vereinzelt die Bereitschaft zu geben, Privatvermögen zu teilen: Mitte Juni 2020 gab es einen offenen Brief von 83 Millionär*innen aus sieben Ländern24 mit dem erklärten Willen, den gesellschaftlichen Wiederaufbau nach der Covid-19 Krise über Steuern mitzufinanzieren. Es scheint also teilweise der Wille zu bestehen, eigene hohe Vermögen mehr auf die Gesamtgesellschaft zu verteilen. Hieran wollen wir mit der Finanzierungspolitik unseres Festivals direkt anknüpfen (s. 4.2). Zudem wollen wir durch die Organisationsstruktur der Meta Community einen neuen Businessgedanken – Kultur jenseits der bestehenden Abhängigkeitssysteme zu veranstalten – wagen.



2.6 Warum queerfeministisch, antirassistisch, barrierefrei und antiklassistisch?


Es ist an der Zeit, mehr intersektionale Festivals mit intersektionalen Communitys ins Leben zu rufen! Intersektionalität bezeichnet die Überschneidung und Gleichzeitigkeit von unterschiedlichen Diskriminierungsformen wie Rassismus, Sexismus, Queerphobie, Ableismus, Lookismus, Altersdiskriminierung und Klassismus gegenüber einer Person.25 Intersektionales Denken und Handeln sind notwendig, um wirklich alle Menschen im Rahmen eines Festivalevents inkludieren und präsentieren zu können. Dem Credo der Intersektionalität wollen wir also in unserer Festivalveranstaltung ausdrücklich folgen und dabei dem im Grundgesetz festgeschriebenen Recht auf Gleichberechtigung gerecht werden.


Bewegungen wie Black Lives Matter zeigen, dass die durch Geschichte und Gesellschaft geschaffenen Ungerechtigkeiten endlich beendet werden müssen. Auch die Musikkultur leistet ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung von Rassismus und Ungleichheiten in der Repräsentation, Beteiligung und Förderung von Menschen. Um gegen Rassismus einzutreten und für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, sollten alle von uns Antworten auf folgende Fragen finden:


Welche Privilegien haben wir individuell und als Gruppen inne und wie können wir sie nutzen? Kann ich non-binären und queeren Künstler*innen zu mehr Sichtbarkeit verhelfen, indem ich sie in meinem persönlichen Veranstaltungs-Netzwerk weiterempfehle oder sie selbst für mein eigenes Event buche? Wo können wir unsere Arbeitstreffen stattfinden lassen, so dass sie barrierefrei zugänglich sind? Möchten die weißen Mitglieder meiner Community einen Anti-Rassismus-Workshop absolvieren? Welche Sprache wird in meiner Gruppe von allen verstanden? Wer besitzt ein soziales Umfeld, das den Aufbau einer musikalischen Karriere bedeutend erleichtert? Welche familiäre Unterstützung, finanziellen Mittel, Kontakte und Zeitkapazitäten stehen mir zur Verfügung? Wer kann sich eine PR-Agentur, gute Videos oder ein Management leisten und wer nicht?


In der Realität zeigen sich hier überall Chancenungleichheiten. Wir als Künstler*innen wollen der Beantwortung dieser Fragen im Aufbau der intersektional gedachten Meta Community und des Meta Festivals Rechnung tragen und damit für eine gerechtere Basis der Gestaltung der Zukunft unserer Kultur sorgen!



2.7 Warum interdisziplinär und heterarchisch?


Wir wollen ein aufgeschlossenes, vielfältiges, interdisziplinäres und unterhaltsames, aber auch anspruchsvolles Programm bieten. Um unseren multiperspektivischen Ansatz zur Geltung zu bringen, soll es auch Raum für philosophische, ökonomische und politische Betrachtungen geben. Dies verlangt geradezu nach interdisziplinären Formaten. So können nicht nur die Artists untereinander ihr Wissen aus den unterschiedlichen Kunst- und Musikgenres austauschen, sondern auch das Publikum kann seinen Horizont vielfältig erweitern. Die verschiedenen Themen könnten in kreativ und außergewöhnlich gestalteten Räumlichkeiten, durchaus auch in Clubatmosphäre, präsentiert werden. Dies würde sicherlich auch ein jüngeres Publikum anziehen, das sich insbesondere in der Jazzszene seltener angesprochen fühlt. Diese zweite große Herausforderung, des zu selten adressierten potenziellen Publikums, wollen wir selbstkritisch mit den Methoden der Multiperspektivität und Interdisziplinarität bewältigen.


Uns ist wichtig, die gemeinsame Unternehmung mit anderen Menschen zu fördern. Das bedeutet beispielsweise Freund*innen und Bekannte, aber auch Menschen aus anderen sozialen Sphären mitsamt ihren Interessen zu den Veranstaltungen einzuladen.

Unserer Erfahrung nach haben sie besteht oftmals von Anfang an die Lust, sich an der Festivalarbeit zu beteiligen. Jede*r kann ein Teil des Ganzen werden. Das Gleiche können die Künstler*innen erfahren: An einem Tag spielen sie ein Konzert, am nächsten Tag kommen sie erneut, um zuzuhören und die Atmosphäre zu genießen, aber auch, um beispielsweise in der Küche oder am Einlass mitzuhelfen. Ein Wandel hin zu einer heterarchischeren Gemeinschaft könnte passieren; alle können gleichberechtigt partizipierend und besuchend teilnehmen, mithelfen, organisieren und auch selbst präsentieren.




3. Wie können Meta Community und Meta Festival in die Tat umgesetzt werden?



3.1 Welche bestehenden Projekte motivieren uns?


Motivierende Beispiele, die uns Mut zur Umsetzung und Finanzierung unseres Großprojektes machen: In ganz Deutschland haben sich bereits vielerorts Kollektive und kleinere Gruppierungen von Musiker*innen zusammen geschlossen, von denen wir wissen, dass sie sich nach solch einem intensiveren Austausch und nach Vernetzung sehnen. Auch gibt es bereits einige Großprojekte zur erneuten Nutzbarmachung von bereits bestehenden Standorten für die lokale Kulturszene – wie beispielsweise in Berlin: die Gründung des Zentrums für Jazz und improvisierte Musik, sowie den Rückkauf des Radialsystems und dessen Umgestaltung in ein Kultur- und Veranstaltungszentrum. Auch aus eigener Erfahrung haben wir Mut gewonnen: Vier Hauptorganisator*innen und insgesamt etwa 25 weitere Beteiligte aus Dresden und Berlin waren in der Lage, mit der Unterstützung des Musikfonds e.V. und des Berliner Senats ein einwöchiges zukunftsorientiertes Festival in Berlin zu organisieren.26 Die Durchführung eines Festivals sollte also bei einer guten Vernetzung der Organisierenden vor Ort absolut möglich sein. Auch gibt es bestehende Festivals wie das Elevate, Unsound, We Are Europe, Fusion Festival, die Festivals der Shapeplatform, Hedonistischer Weltkongress und unsere ersten eigenen Versuche mit dem „Kulturrabazzz“27 und „SURfF“ in mehr oder weniger ähnlichem Stile.

Diese können uns als Inspiration dienen. Außerdem können wir all unser Wissen und unsere bisherigen Festivalerfahrungen untereinander teilen.



3.2 Warum 52 Communitys?


Ein Jahr hat 365 Tage und in etwa 52 Wochen. Unsere Realutopie umfasst 52 Communitys, die an insgesamt 365 Tagen im Jahr ihre eigenen einwöchigen Festivals veranstalten. D.h. 52 verschiedene Orte, 52 verschiedene Schwerpunkte, 52 unterschiedliche Communitys, die zusammen wiederum für Diversität sorgen, lokal verschiedenste Menschen erreichen können und zu guter Letzt etliche, angemessen bezahlte, neue und einzigartige Auftrittsmöglichkeiten bedeuten. Die präsentierte Musik umfasst alles, was wir Musiker*innen heute als Jazz oder Improvisiert, Zeitgenössisch oder Neu, Frisch oder Progressiv, Pop oder Beats, Elektro oder Akustisch begreifen – kurz gesprochen: professionelle Nicht-Mainstream-Musik. Artists präsentieren Artists.



3.3 Wie entsteht die Meta Community?


Jede Community der Meta Community gründet sich selbst: Sie kann beispielsweise mit fünf befreundeten Musiker*innen starten und sich durch das Weitersagen ihrer Idee vergrößern. So erschaffen wir unsere Strukturen von Anfang an selbst. Alle Musiker*innen, Organisator*innen, Techniker*innen und Freiwilligen können mitmachen. Wenn sich eine Gruppe an Organisierenden für eine Festivalwoche als vollständig begreift, können die weiteren Beteiligten eine weitere Festivalwoche zu organisieren beginnen – eine weitere Community entsteht. So pflanzt sich der Gedanke fort und aus einem Anfangsfestival werden immer mehr Festivals, die dem gleichen Spirit folgen – aus einer Communty werden immer mehr, bis wir am Ende die Meta Community sind.


Die Einladung, mitzumachen, eine eigene Community zu gründen und von der Meta Communtity unterstützt zu werden, richtet sich auch besonders an diejenigen, die sich von den bisherigen Strukturen trotz hoher Professionalität ein Stück weit übersehen fühlen. Die Veranstaltenden sollten jeweils auch unbekanntere Acts auf ihrem Festival präsentieren, die ebenso hörenswert sind wie etabliertere Projekte, weil sie nach Meinung der Veranstaltenden einfach gute Musik machen. Die Musik von morgen kann durch uns selbst besser ans Licht der Kulturwelt gebracht werden, ohne weiterhin von auf konservative Weise entstandenen Line-up-Ritualen, Kontakten und Preisvergaben abhängig zu sein. Diese Unabhängigkeit wollen wir für alle Künstler*innen der Meta Community gewährleisten und somit eine möglichst gerechte Verteilung der Auftrittsmöglichkeiten erzielen.



3.4 Welche Eigenschaften hat die Meta Community?


Wir wollen bei der Gründung der Communitys auf eine gewisse Heterogenität der Gruppen Wert legen. Wie sich dies genau gestaltet, müssen wir im Bildungsprozess erfahren und formulieren. Heterogenität kann wohl nicht vollends konstruiert werden, wir möchten sie jedoch als ein wichtiges Bildungskriterium der Communitys nennen, da sie letztendlich auch für die Heterogenität unseres Festivals zuträglich sein wird.


Um inhaltlich möglichst gut vorbereitet zu sein auf die Umsetzung der Realutopie, sollten die Communitys sich zu Beginn um einen gemeinsamen Wissensgrundschatz bemühen. Dieser orientiert sich an unseren genannten Grundwerten, die wir bei der Umsetzung des Festivals ernst nehmen wollen. Hierfür benötigen wir das entsprechende Wissen zu den genannten Themen wie Antirassismus28, Queerfeminismus und plural-ökonomischen Denkmodellen. Zu diesen Themen wollen wir Workshops für unsere interne Weiterbildung besuchen. Parallel dazu könnten wir uns auf einen gemeinsamen Grundschatz an entsprechender Literatur einigen, der für alle zugänglich gemacht werden soll. Zuletzt empfehlen wir einen internen, intersektionalen Privilegien- und Transparenzcheck: Was sind meine Privilegien? Wo wurde ich benachteiligt? Was wünsche ich mir? Daraufhin können wir in Konferenzen der Community-Strukturen untereinander über das erfahrene Wissen reflektieren und diskutieren mit dem Ziel, zu einer gemeinsamen Prämissenmatrix zu finden. Diese sammelt unsere gewünschten Eckpfeiler der Festivalorganisation. Hierzu sollte beispielsweise auch die Auswahl von Quoten zählen, insbesondere da aktuell etwa 80% der deutschen Jazzmusiker*innen cis-männlich* sind.29 Auf Basis dieser gemeinsam formulierten Grundpfeiler können sich die einzelnen Festivals selbst sodann individuell und vielfältig ausgestalten. Wir wollen somit eine gemeinsame Grundlage an Wissen und Umsetzungswissen für ein Festival schaffen, das wirklich alle Menschen inkludieren kann.


Wir wollen die Communitys auch als Austauschplattform für das Teilen von Gedanken, Meinungen, Ideen, Wissen, Fähigkeiten und beruflichen Ressourcen wie Kontakten und Räumlichkeiten nutzen. Beispielsweise teilt Jo mit seinem „Recursive Rhythm Get-Together“ seine neu erfundene Rhythmussprache mit allen, die daran interessiert sind.30 Hier sehen wir ein enormes Potenzial zur Kreierung eines unterstützenden Raums füreinander, der sich beliebig weiterdenken lässt.


Auf Basis dieser genannten Charakteristika der Meta Community – mit all ihren Communitys – wollen wir betonen, dass sich natürlich bereits vielfältige Initiativen, Kollektive sowie einzelkämpferisch Tätige in den genannten Fragen engagieren. Trotzdem sehen wir reichlich Potenzial und Bedarf, um strukturelle und dauerhafte Verbesserungen zu schaffen. Daher suchen wir nach einer noch tiefgreifenderen Form des Zusammenschlusses, die das bestehende Engagement und Einzelkämpfertum auffangen, integrieren und verstärken kann. Wir wollen weitergehende Schritte unternehmen hin zu einer zukunftsweisenden, pluralistischen, genreübergreifenden, multidisziplinären Entwicklung, die weit über ihre eigenen Räume hinaus wirken kann und echten Zusammenhalt schafft.



3.5 Wie arbeitet die Meta Community?


Grundsätzlich vertreten wir den Ansatz einer eher dezentralen Organisationsstruktur. Die Communitys sollten dennoch in einem regelmäßigen Austausch verbunden sein, vor allem bei der Formulierung der Prämissenmatrix. Wichtige gemeinsame Fragen im laufenden Organisationsprozess sollten unter den Communitys abgestimmt werden. So wird sich eine Gesamtstruktur entwickeln, die nach außen eine geschlossene Stimme für die Meta Community im Dialog mit Institutionen und Politik erheben kann.


Hinsichtlich unserer Vernetzung sprechen wir uns klar dafür aus, dass wir als Communitys und als Meta Community in die bestehenden Interessenvertretungen eintreten wollen. Diese wiederum sind bis in bundesweite Instanzen vernetzt – von den jeweiligen kommunalen oder regionalen Interessengemeinschaften, landesweiten Verbänden und Kulturverwaltungen, über den deutschen Musikrat, die Allianz der Freien Künste bis hin zum deutschen Kulturrat. Wir begrüßen es sehr, dass sich die Verbände der Kunst- und Kulturwirtschaft im Verlaufe der Pandemie immer mehr zusammengeschlossen haben. Dadurch konnten sie noch effektiver, als eine Art kulturelle Gesamtvertretung, notwendige und dringende Maßnahmen und Hilfen von der Politik einfordern. Neben der vielschichtigen, enorm wichtigen und wertvollen Arbeit der Verbände der Musiklandschaft braucht es aber auch das Engagement von uns Kunstschaffenden selbst!


Des Weiteren freuen wir uns über jeglichen Austausch mit Menschen aus der Musikbranche. Dieser Aufruf zur Meta Community möchte sich keinesfalls als eine Abspaltung von bestehenden Strukturen verstehen, sondern vielmehr als gemeinsames Streben nach einer progressiven und proaktiven Weiterentwicklung und Vergrößerung dieser. Wir wollen uns auf noch intensivere und erfolgreichere Art und Weise mit den Menschen verknüpfen, die sich bereits in Politik und im Kultursektor für neuartige Musikprojekte einsetzen. Wir wollen unser gemeinsames Potenzial potenzieren.


Wenn eine Community sich gegründet hat, beginnt die Vernetzung und Kommunikation mit institutionellen Strukturen zwischen Kultur und Politik, sowie den Musikverbänden, -initiativen, Förderinstitutionen sowie Standortbetreiber*innen. Hier kann weiterführendes Wissen als Inspirationsquelle für die eigene Community-Arbeit generiert und sodann umgesetzt werden. Nachdem sich also möglichst viele Communitys gegründet und organisiert haben und in den Austausch mit Verbänden und untereinander getreten sind, wenden sich alle Communitys als Meta Community im letzten Schritt mit ihrem Gesamtkonzept und den dafür gesammelten Belangen an die Politik.


Kurz- und mittelfristig liegt die Community-Arbeit in den Händen von allen, die sich beteiligen. Perspektivisch sollte die Arbeit in den Bereichen der Organisation, Förderung, Kommunikation und Werbung in den Händen von professionellen Mitarbeiter*innen liegen. Ziel wäre, dass diese langfristig über das Projekt selbst finanzieren werden können.


An dieser Stelle möchten wir nochmal betonen, dass dieses Projekt nicht nur das Potenzial besitzt, eine glitzernde, ermutigende Welt für uns selbst zu kreieren, es hat auch weitreichende und tiefgreifende gesamtgesellschaftliche Vorteile, die wir im Folgenden näher vorstellen.



3.6 Was sind die Ziele der Meta Community?


Wir präsentieren frische und innovative Musik sowie alle möglichen Arten von Kunst, fördern Demokratie, schaffen Bildung, vereinen verschiedene Gesellschaftsschichten, erschaffen ein noch nie dagewesenes nationales – und hoffentlich bald Grenzen sprengendes – Vorzeigeprojekt, setzen dem wachsenden Rechtspopulismus etwas entgegen und inkludieren Menschen. Wir bieten deutlich mehr Auftrittsmöglichkeiten, schaffen ein vergrößertes Netzwerk, ein starkes Zugehörigkeitsgefühl und Zusammenhalt und eine größere Unabhängigkeit von bestehenden Organisationsstrukturen.


Branko Milanovic zeigte, dass 60% der Einkommensunterschiede durch das Geburtsland und weitere 20% durch das Einkommensniveau der Eltern erklärbar sind.31 Dadurch relativieren sich der Einfluss von eigener Arbeit und Talent auf den Berufserfolg massiv. Die Philosophie des gesamten Festivals hinterfragt das Prinzip einer Leistungsgesellschaft und möchte dieser Chancenungleichheit entgegenwirken, um die eigene Arbeit selbstwirksamer und erfolgreicher zur Geltung kommen zu lassen. So könnten beispielsweise Festival-Line-Ups aus einem Pool guter Acts ausgelost werden.


Diese Art von Festival gibt letztendlich Antworten auf die Fragen: Wie kann Nicht-Mainstream-Musik heute und in Zukunft erfolgreich stattfinden – fernab von veralteten Business-, Venue- und Publikumsstrukturen? Wie kann der Herausforderung begegnet werden, ein neues, auch junges Publikum zu den Veranstaltungen zu bringen und wie werden diese Veranstaltungen offen, frisch und zu einem sichereren Raum, der zugänglich für alle ist?


Bei aller absoluten Notwendigkeit von sogenannter Hochkultur und ihren „Leuchttürmen“ sehen wir ein enormes, additives Potenzial in dieser subkulturellen, inkludierenden Art von Projekt. Wir wollen nicht weniger als eine Gesellschaft der Zukunft schaffen, eine Gesellschaft, die angesichts bereits bestehender, aber auch zukünftiger Gefahren Resilienz aufbauen kann.




4. Die Umsetzung der Werte / Festivalformate



4.1 Warum ein Awareness-Team?


Uns ist es wichtig, ein Festival zu veranstalten, bei dem sich jede Person wohlfühlen kann. Dazu braucht es unserer Meinung und Erfahrung nach ein professionell ausgebildetes Awareness-Team, das engagiert werden sollte. Dieses Team teilt allen Besucher*innen am Einlass mit, dass keine Diskriminierung geduldet wird. Falls die Besuchenden selbst eine Diskriminierung erleben, können sie diese dem Awareness-Team melden. Diese Maßnahme ist zwar leider keine Garantie für ein diskriminierungsfreies Festival, aber sie gewährleistet zumindest eine Atmosphäre, in der sich jede*r sicherer fühlen kann und sich selbst wohl eher traut, auf eine erlebte oder beobachtete Diskriminierung zu reagieren oder sie zu berichten.



4.2 Warum 0-100.000 Euro Eintritt?


Solange die Bundesregierung die längst anstehende Aufgabe einer gerechten Umverteilung nicht übernimmt, bieten wir die Freiheit, an der Festivalkasse gemessen am eigenen Einkommen selbst entscheiden zu können, wie viel Eintrittsgeld gezahlt werden kann. Die Besucher*innen können somit auch mehr geben, als sie müssen. Sie können Null Euro geben, wenn sie gerade nicht mehr bezahlen können. Sie können 100.000 Euro bezahlen, wenn sie ein Vermögen besitzen und die Lust verspüren als eine Art Mäzen*in die Festival-Vision zu unterstützen.



4.3 Warum gibt es Vorträge, Workshops und Flashmobs?


Wir wollen das Festival auch als Weiterbildungsmöglichkeit für alle Menschen in Unabhängigkeit von deren Zugangsmöglichkeiten zu Kultur und Bildung ansehen. Menschen, die sonst vielleicht einen erschwerten Zugang hätten, können durch das barrierefreie, inklusive Festival von dem Wissen der Expert*innen in Vorträgen und Workshops profitieren und selbst in den Dialog eintreten.


Wir wollen Vorträge von Expert*innen aus verschiedenen Fachgebieten außerhalb von Kunst und Musik zu ausgewählten Themen der aktuellen globalen ökologischen und politischen Situation veranstalten. In den Vorträgen können sich die Besucher*innen also auch zu Themen wie Klima, Digitalisierung, Finanzwesen, Politik, Rassismus, Feminismus, Philosophie, Psychologie, Soziologie und Aktivismus über den aktuellen und zukünftigen Zeitgeist und Forschungsstand informieren. Hiermit wollen wir den wachsenden polemisierenden und diskriminierenden Strömungen entgegenwirken. In diesem Zuge wollen wir zudem u.a. folgenden alternativen Denkmodellen zur Status Quo Situation in Deutschland eine Darbietungs- und Diskussionsfläche bieten: Gemeinwohl-Ökonomie, Modern Monetary Theory, Demokratischer Konföderalismus, Degrowth, partizipative Demokratie, Neuer und Spekulativer Realismus, Konvivialismus, Commonismus, Urban Design, Ethnofutorismen, Xenofeminismus, Multikollektivität, DiEM25, Postkolonialismus, Glücksforschung, Spekulatives Design, Progressive International.


Für einen weniger theoretischen und mehr praxisorientierten Austausch wollen wir Workshops mit Expert*innen verschiedenster Musik- und Kunstgattungen anbieten. Explizit soll dies vor allem für Menschen und besonders Kinder angeboten werden, die grundsätzlich in der Gesellschaft benachteiligt sind. Hier besteht außerdem das Potenzial, auch langfristiger eine Struktur zur Potenzialentdeckung und Talentförderung anzubieten, wenn auch über die erste Workshop-Teilnahme hinaus noch weitere Workshops durch die Community-Mitglieder angeboten würden. Aber auch Bereiche wie Antirassismus, Queerfeminismus oder systemisches Konsensieren können Workshop-Themen innerhalb einer Festivalwoche bilden.


Weiter wollen wir mit dem ultimativ direkten und performativen Festivalformat und all dessen Möglichkeiten spielen, dem Flashmob. Während der Festivals können zusammen mit dem Publikum die verschiedensten Aktionen unternommen werden. Hierdurch lässt sich leichter eine emanzipatorische Energie des Wir-Gefühls generieren, empfinden und nutzen. Zudem haben solche Aktionen die Kraft, über den Moment hinaus zu wirken und Menschen im Alltagsleben dazu zu ermutigen, problematische gesellschaftliche Entwicklungen oder Diskriminierungssituationen gemeinsam mit anderen Menschen zu bekämpfen. Zu guter Letzt sind dies auch oftmals die Aktivitäten, die mit extrem viel Freude und Spaß verbunden sind.




5. An welchem Ort könnten die Festivals stattfinden?



Wenn wir Menschen durch die Festivals miteinander verbinden wollen, sollten wir auch verbindende Orte dafür auswählen, seien es Kieze, die divers sind, oder Locations, die von einer Gruppe mit diversem Profil betrieben werden. Aufgrund unserer Vorerfahrung wie mit dem Kukulida e.V. in Dresden erscheint uns die Ausstattung eines Venues als zweitrangig, wenn wir Menschen verbinden wollen .


Wir wünschen uns von Seiten der Politik, dass der verbindenden Kultur weitere Orte zur Verfügung gestellt werden . Wir denken, dass der Staat in die Pflicht genommen werden muss, Räume für Kunst und Kultur, für Experimente und visionäre Projekte bereitzustellen. Wenn Wohn- und Freiraum durch politisch unterstützte Privatisierung eingegrenzt und nicht sozial gerecht bereit gestellt wird, sind Enteignung und Verstaatlichung32 oder die Überführung in Kollektiveigentum33 für Wohnraum und neue Kulturorte überfällig. Wir formulieren hier somit auch eine mögliche Antwort auf die Frage, wie wir unsere Städte und Räume in Zukunft gestalten und nutzen wollen. Für eine neue Gestaltung des Urbanen gibt es verschiedenste, uns inspirierende, Ansätze und Theorien.34




6. Finanzierung, Förderlandschaft und Vergütung



6.1 Wie wird das Meta Festival finanziert?


Angesichts unserer groß angelegten Förderung von Gesamtgesellschaft und Kultur sind wir erst einmal zuversichtlich, das Projekt von staatlicher und institutioneller Seite her fördern lassen zu können. Die Ziele des Meta Festivals sollten auch im Interesse des Staates liegen. Das Festival-Budget könnte also grundsätzlich durch Förderungen institutioneller Art getragen werden. Es ist schließlich klar, dass die Festivals auch einen wirtschaftlichen und touristischen Mehrwert darstellen werden. Andernfalls wollen wir mit den gesammelten Kontakten der 52 Communitys das Projekt durch privates Sponsoring finanzieren. Den dritten Pfeiler bilden die eventuell gezahlten überschüssigen Eintrittsgelder. Diese könnten für Folgeprojekte genutzt werden, welche wir als Communitys vorab gemeinsam formulieren und transparent machen.



6.2 Wie ist die aktuelle Förderlandschaft bundesweit aufgebaut?


Dazu müssen wir uns besonders die allgemeine Geldverteilung des Staates sowie die Priorisierungen innerhalb des Kulturbereichs sowie der Musikabteilung genauer anschauen. Welcher Sektor erhält eigentlich keine staatliche Unterstützung wenn man Subventionen, Finanzhilfen oder Steuervergünstigungen zusammen betrachtet? Wie viel Geld wird in Kultur im Vergleich zu anderen Sektoren gesteckt? Wie ist das Verhältnis zwischen Musik und Theater? Noch weiter hineingezoomt: Wie viel Subventionen bekommt der Jazz und andere Nicht-Mainstream-Musik im Vergleich zur Klassik? Und wie viel bekommt der traditionell orientierte Jazz im Vergleich zum Avantgarde-Jazz? Und so weiter.


Hier ein paar Zahlen zur Verhältnismäßigkeit der Förderlandschaft: In Deutschland ist die Verteilung von Kulturfördergeldern auf Bund, Länder und Kommunen – man könnte sagen recht unübersichtlich - aufgeteilt. Laut dem Kulturfinanzbericht 202035 betrug die gesamte Kulturförderung 2017 11,4 Mrd. € (17% Bund, 38,7% Länder, 44,4% Kommunen) plus 58,7 Mio. € von der EU und 1,1 Mrd. € durch die Künstlersozialkasse. 2021 wird die Kulturförderung des Bundes (also die ca. 17% der gesamten Fördersumme) ca. 0,35% des BIP und 1,77% des Bundeshaushalt von 498,62 Mrd. € betragen, sprich 2,14 Mrd. €.36


Bei den Ländern und Kommunen sieht das wieder ein wenig anders aus, trotzdem ergibt sich dann für das ganze Land folgende Weiterverteilung: 34,5% für Theater und Musik (3,9 Mrd. €, davon ca. 70% Theater); 19,1% Finanzierung der Museen, Sammlungen, Ausstellungen; 14,1% Bibliotheken, sonstige Kulturpflege 13,8%; kulturelle Angelegenheiten im Ausland 6,0%; öffentliche Kunsthochschulen 5,1%; Denkmalschutz, -pflege 5,0%; Verwaltung für kulturelle Angelegenheiten 2,5%. Des Weiteren gibt es 2,2 Mrd. € für kulturnahe Bereiche (Volkshochschulen und sonstige Weiterbildungen, kirchliche Angelegenheiten, Rundfunkanstalten und Fernsehen). Die sechs verschiedenen Bundeskulturfonds des Bundesministeriums für Kultur und Medien (BKM) bekamen in den letzten Jahren ca. 12 Mio. € pro Jahr, der Musikbereich durch den Musikfonds. e.V. 2 Mio. € (wegen Covid-19 2021 10 Mio. € extra).37



6.3 Wie ist die Kulturförderung in einem Land wie Berlin zusammengestellt?


Der gesamte Haushalt 201938 betrug ca. 30,3 Mrd. €, für die Abteilung Kultur und Europa gab es ca. 720 Mio. €, also 2,37%. 2020 war die Jazzförderung in Berlin folgendermaßen verteilt: 304.380 € Basisförderung, 385.621 € Projektförderung, 62.000 € Arbeitsstipendien, 9.680 € Tourförderung, 104.000 € Audio- und Videoproduktionen.39

Aus dem Berliner Kulturförderbericht 201440 kann man folgende Zahlen entnehmen: Die Projektförderung für Musik (inkl. Hauptstadtkulturfonds) betrug 2013 5,5%, ca. 3,2 Mio. €, der Rest sind institutionelle Förderungen gewesen. Im Verhältnis zu anderen Künsten im Bereich der Projektförderung sah es so aus: Theater 6,18 Mio. €, Tanz 2,31 Mio. €, Musik 3.2 Mio. €, Literatur 1.14 Mio. €, Bildende Kunst 5.51, Mio. €, Spartenübergreifend 2.03 Mio. €,

Anderes 2.62 Mio. €.41



6.4 Welche interessanten und aktuellen Zahlen sowie Stimmen gibt es noch?


Gerne erwähnen wir, dass es teils aus den Förderinstitutionen selbst – z.B. von dem Geschäftsführer des Musikfonds e.V. Gregor Hotz – absolut begrüßenswerte Vorschläge zu einer besseren und nachhaltigeren Kulturförderung gibt.42

Hier ein aktuelles Beispiel zum Bedarf bundesweiter Projekte: Die letzte Förderreihe des Musikfonds e.V. im Januar 2021 wurde deutlichst überzeichnet. Das Antragsvolumen betrug ca. 11 Mio. € und die vorhandenen Mittel waren zunächst ca. 700.000 € und wurden dann durch den Neustart Kultur auf 1,7 Mio. € aufgestockt.43

Nach einer Anfrage an das BKM wurde von Ministerin Monika Grutters mitgeteilt, dass 2018 1,22% der Bundesmittel für Jazz, Rock, Pop, Hip-Hop und Elektro ausgegeben wurden.44



6.5 In welcher Relation stünde das Meta Festival mit institutionell geförderten Einrichtungen?


Ein solch unikales, von uns gefordertes, Festival inklusive einer fairen Bezahlung aller kann man, unserer Erfahrung nach, mit ca. 100.000 €45 verwirklichen. Das macht für unsere Idee von 52 Festivals in Deutschland ca. 5 Mio. €. Nicht so viel im Vergleich zu anderen Kulturaktionen, würden wir sagen. Z.B.: Die jährlichen Zuschüsse für die Deutsche Oper Berlin (Zuschuss: 39,2 Mio. €, Einnahme pro Ticket: 41,4 € im Durchschnitt, Zuschuss pro Besucher: 177,8 € - die Zahlen sind von 201346) oder die Sanierung der Staatsoper Berlin (ca. 440 Mio. €47).


Wir propagieren nicht die Idee, dass wir das Geld anderer Genres haben wollen. Wir wollen mehr für alle und zeigen trotzdem auf, wie die Relationen sind. Unsere Realutopie könnte im Direktvergleich sogar mit ebenfalls höher subventionierten Veranstaltungen finanziell, aber auch qualitativ konkurrieren, was aber noch nicht einmal die Intention ist. Aber man könnte durchaus so weit gehen und fragen, ob die Beträge, die für den Erhalt von Kultur ausgegeben werden, wirklich im Verhältnis zur Entwicklung neuer Kultur stehen? Zumal ein Großteil der sogenannten Hochkultur, die stark gefördert wird, absolut nicht repräsentativ für die heutige plurale Gesellschaft ist und tendenziell eben eher eine elitäre Klasse anspricht.



6.6 Was sind weitere, wichtige Aspekte der Kulturförderung?


Wie viel Aufmerksamkeit oder Repräsentation bekommt eine Musikrichtung im Fernsehen, im Radio, online, offline oder in Magazinen? Wie sieht es in der musikalischen Bildung (für Kinder, aber auch für Erwachsene) aus? Welche Hörgewohnheiten entwickeln sich in unserer Gesellschaft und warum? All diese und weitere Aspekte müssen intensiv diskutiert und deren unangemessene Ungleichheiten angegangen werden.


Eine letzte interessante Zahl: 138 € gibt jeder private Haushalt jährlich für kulturelle Veranstaltungen aus.48 Dies führt uns zu einer hier rahmensprengenden Diskussion, ob sich Kultur ganz aus sich selbst heraus finanzieren oder ganz vom Staat gefördert werden sollte. So oder so werden aktuell aus unserer Sicht deutlich! zu wenig Förderungen für den Kultursektor bereitgestellt. Insbesondere, wenn man sie beispielsweise zu den Steuervergünstigungen einiger Großunternehmen und deren generellen Beitrag zum Gemeinwohl in Bezug setzt.



6.7 Wie hoch sollen die Vergütungen für die jeweiligen Tätigkeiten bei den Festivals sein?


Aus der Jazzstudie 2016 geht hervor, dass 69% der Befragten weniger als 12.500 € jährlich allein mit Musik verdienen, mit Nebentätigkeiten sind es immer noch 50%.49 2019 lag der Schwellwert zur Armutsgefährdung für Alleinlebende in Deutschland bei monatlich 1074 € netto.50 Natürlich müssen wir hier betonen, dass das nur national betrachtet ist und bei globaler Betrachtung immer noch einen extrem hohen Wert darstellt. Außerdem müssen wir selbstredend betonen, dass es verschiedene Arten von Kapital51 gibt und dass man z.B. nach einem Jazzstudium natürlich nicht grundsätzlich kapitalarm ist. Trotzdem wollen wir für eine gerechte und angebrachte Bezahlung aller anfallenden Tätigkeiten rund um die Festivals sorgen. Wie genau diese für die jeweilige Tätigkeit aussehen soll, muss innerhalb der Meta Community während der Erstellung der Finanzierungspläne erörtert und ausgerechnet werden. Die Meta Festivals sollen jedenfalls auch Community-Mitgliedern helfen, aus etwaigen prekären Situationen auszubrechen. Die von der DJU empfohlenen Mindestgagen – pro Person mindestens 250 € in Spielstätten und 500 € bei Festivals – finden wir wichtig und sollten auch bei den jeweiligen Festivals als Richtlinie dienen.




7. Potenzial und Ausblick



Das Potenzial des Meta Festivals und seiner Communitys ist riesig! An vielen Stellen des Großprojektes kann weitergedacht werden, unsere Ideen nehmen kein Ende! Zunächst: Was würde eigentlich passieren, wenn sich eines Tages tatsächlich 52 Communitys gegründet haben – und damit ein Szenario von 365 derartigen Festivaltagen der neue Status Quo werden könnte? Wir sehen allerspätestens dann die Chance, tatsächlich strukturelle Verbesserungen allein durch das Meta Festival und seine Meta Community in unserem Arbeits- und Lebensalltag als Künstler*innen geschaffen zu haben.


Wir denken, dass wir beispielsweise allein in Berlin das Potential hätten, eine eigene emanzipatorische Musikplattform für Streaming, Download und andere Dienste zu organisieren. Unser erstes Wunschszenario wäre hierbei eine Community von 1000 Musiker*innen, die versuchen, Programmierer*innen und Geldgeber*innen für Internetserver zu finden. Bringt jede Person mindestens zehn Musikliebhaber*innen zur Plattform mit, die eine grundlegende Zahlungsbereitschaft für Musik haben, wären es schnell 10.000 interessierte Musikfans und 1000 Künstler*innen. Diese könnten eine multifunktionale Plattform des Austausches erschaffen, auf der Fans und Künstler*innen interagieren könnten, unabhängig von Werbung, selbst begrenzenden Algorithmen und ohne seine Daten für Großkonzerne freigeben zu müssen. Als inspirierende Beispiele können die bestehenden Plattformen Resonate52 und Catalytic Sound53 dienen.


Perspektivisch könnten die teilnehmenden Orte und Kollektive zu einer zukunftsweisenden Entwicklung der Gesellschaft beitragen, die weit über deren Räume hinaus wirkt. Die Communitys und Festivals bilden neue Räume des Austausches und Teilens, die ebenfalls weitergedacht werden könnten. Auch unsere Festivalformate an sich stellen einen für alle zugänglichen Inspirations-, Bildungs- und Kulturraum dar, der ebenfalls über das Festival hinaus weiterentwickelt werden könnte. Wir könnten gemeinsam ein bisher ungekanntes, viel intimeres Zusammengehörigkeitsgefühl erwecken, das hier und jetzt begänne. Und vielleicht würden sich künftig Communitys in anderen Ländern inspiriert fühlen, unserer Idee zu folgen im Sinne einer gesamteuropäischen Kulturgemeinschaft?




8. Dankeschön und Aufruf



Zum Schluss wollen wir uns von Herzen bei allen bedanken, die sich bisher – sehr oft ehrenamtlich und mit sehr viel Energie und zum Teil seit Jahrzehnten – in der Musik- und Kulturwelt engagiert haben!!!


Wir sind überzeugt, dass Projekte wie dieses die Kraft haben, uns Kulturschaffende noch viel mehr zu vereinen, um zusammen – und nicht in endlosen Einzelkämpfen – gegen die systemischen Missstände mit neuen Denk- und Handlungsweisen vorzugehen und mit Freude und Hingabe eine noch breitere und frischere Kulturlandschaft, sowie Orte der Begegnung, des Dialogs und des gemeinsamen Tuns aller zu erschaffen. Lasst uns jetzt beginnen!




9. Teilnahme und Kontakt



MELDET EUCH UNTER: meta@subwaterbeats.de



Die Meta Community


Berlin, Juni 2021



Verfasser:

Joachim Wespel


Co-Autor*innen/ Berater*innen:

Julia Kadel, Philipp Gropper, Sanni Lötzsch, Paul Berberich, Elias Stemeseder, Friederike Merz, Vincent Bababoutilabo, Laura Winkler, Julius Windisch





1Meta Festival ist der aktuelle Arbeitstitel und noch nicht der offizielle Name des Projekts

2Kollektive: Subwater Beats, KIM collective, Jazzkollektiv Berlin

3„Radikal“ bedeutet hier für uns: „etwas von den Wurzeln her anzugehen“ und vermeintlich gegebene Umstände, im gesellschaftlich positiven Sinne, zu verändern.

4Jim Black ist ein Schlagzeuger, Komponist, Bandleader und Professor aus New York City, der seit ca. 30 Jahren weitweit in Konzerthäusern, Jazzclubs usw. auftritt.

5Aftermovie Kulturrabazzz 2020: https://youtu.be/rF0wzlWQQoU

6Nadin Deventer ist seit 2018 künstlerische Leiterin des Jazzfest Berlin, im Vorstand des European Jazz Network und seit ca. 20 Jahren als Kuratorin, Dramaturgin und Projektleiterin aktiv.

7Aftermovie Kulturrabazzz 2018: https://www.youtube.com/watch?v=AwrfTQacUt8

8Vgl. Rahel Süß in Episode 46 zu Demokratie und Zukunft: https://www.futurehistories.today/

10S. Andreas Reckwitz: Digitalisierung und Gesellschaft der Singularitäten: https://www.youtube.com/watch?v=JVSIkeolDXo&t=3366s

11Vgl. Hans Joachim Schellnhuber im Gespräch mit Bruno Latour: https://www.youtube.com/watch?v=Z-n_44M2nLw

16Vgl. z.B. Maja Göpel: Unsere Welt neu denken

17Vgl. z.B. Fridays for Future

18Vgl. z.B. Modern Monetary Theory und Priorisierungen im Staatsetat bei Wohlstand für Alle. Z.B. Episode 28: https://www.youtube.com/watch?v=t6neimp8nMs&t=1s

23Thomas Piketty bei Sternstunde Philosophie: https://www.youtube.com/watch?v=8WderB3_kuA

25Vgl. Kimberlé Crenshaw, https://de.wikipedia.org/wiki/Interdisziplinarit%C3%A4t, Jin Haritaworn

27Viele der Organisator*innen und Unterstützer*innen können sagen, dass sie kaum etwas Vergleichbares und selten etwas so Bedeutsames in ihrem Leben erfahren haben, wie diese selbstorganisierten Festivals. Im gemeinsamen Schaffen erfuhren sie eine tiefere und fast unbeschreibliche Erfüllung, die überschwappte auf Artists und Publikum. https://subwaterbeats.de/kulturrabazzz/

28Siehe z.B. Sow, Noah mit „Rassismuskritisch veranstalten“ https://kurse.noahsow.de/lp/erfolgreich-rassismuskritisch-info/

33Vgl. „Mietshäuser Syndikat“ https://www.syndikat.org/de/

34Vgl. Christopher Dell: The Improvisation of Space oder vgl. Benjamin H. Bratton: The New Normal

36Stand: 10.05.21. Aufgrund der Corona-Pandemie werden sich die Zahlen schätzungsweise nochmals ändern.

37Hier sei darauf hingewiesen, dass die Gründung des Musikfonds e.V.s sowie die generell deutlichen Erhöhungen der bundesweiten Fördermittel für den Jazzbereich in den letzten Jahren vor allem auf die viele und ehrenamtliche Lobbyarbeit der Deutschen Jazzunion zurückzuführen ist.

41Auch hier müssen wir ganz klar betonen, dass die Arbeit der IG Jazz Berlin seit ihrer Gründung 2011 erhebliche Vorteile sowie eine mehrfache Anhebung der Fördermittel für die ganze Szene mit sich gebracht hat!

45Grobe Extrapolierung unserer Referenz, dem SURfF Festival: Budget ca. 35.000 € für 6 Tage, mit weniger umfangreichem Programm und Organisation, sowie einiger unbezahlter oder gering bezahlter Aufgabenbereiche.


ein Festival-, Musik-, Community-, Kultur- und Demoktratie-Boost und Aufruf zur realutopischen Meta Community innovativer Musiker*innen